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Urteil Versicherungsgericht (SG - AHV-H 2013/2)

Zusammenfassung des Urteils AHV-H 2013/2: Versicherungsgericht

Die Beschwerdeführerin hat eine Hilflosenentschädigung der AHV beantragt, da sie angab, in mehreren alltäglichen Lebensverrichtungen auf Hilfe angewiesen zu sein. Nach Abklärungen vor Ort und medizinischen Untersuchungen wurde der Antrag abgelehnt, da keine objektive Hilflosigkeit festgestellt wurde. Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch und später Beschwerde, jedoch wurden beide abgelehnt. Es wurde festgestellt, dass keine ausreichende Hilflosigkeit vorliegt, um eine Entschädigung zu rechtfertigen. Die Beschwerdeführerin erhielt keine unentgeltliche Rechtsverbeiständung, da die Einsprache nicht aussichtslos war und keine schwierigen rechtlichen Fragen auftraten. Die Beschwerde wurde insgesamt abgewiesen, die Beschwerdeführerin muss keine Gerichtsgebühren zahlen, erhält jedoch keine Parteientschädigung.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts AHV-H 2013/2

Kanton:SG
Fallnummer:AHV-H 2013/2
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:AHV - Alters- und Hinterlassenenversicherung
Versicherungsgericht Entscheid AHV-H 2013/2 vom 21.10.2013 (SG)
Datum:21.10.2013
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 43bis AHVG i.V.m. Art. 42 ff. IVG und Art. 35 ff. IVV. Hilflosenentschädigung. Art. 37 Abs. 4 ATSG. Unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 21. Oktober 2013, AHV-H 2013/2).
Schlagwörter: Abklärung; Recht; Hilflosigkeit; Abklärungsperson; Hilfe; Einsprache; Person; Abklärungsbericht; Lebensverrichtungen; Einspracheverfahren; Rechtsverbeiständung; Augenschein; Hilflosenentschädigung; Sachverhalt; Anspruch; Personen; Fortbewegung; Bericht
Rechtsnorm: Art. 12 VwVG ;Art. 123 ZPO ;Art. 29 BV ;Art. 37 ATSG ;Art. 55 ATSG ;
Referenz BGE:130 V 61; 132 V 200;
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts AHV-H 2013/2

Vizepräsident Ralph Jöhl, Versicherungsrichterinnen Monika Gehrer-Hug und

Lisbeth Mattle Frei; Gerichtsschreiberin Sibylle Betschart

Entscheid vom 21. Oktober 2013 in Sachen

  1. ,

    Beschwerdeführerin,

    vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Ehrenzeller, Engelgasse 214, 9053 Teufen,

    gegen

    Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Ausgleichskasse des Kantons St.

    Gallen, Brauerstrasse 54, Postfach, 9016 St. Gallen,

    Beschwerdegegnerin, betreffend

    Hilflosenentschädigung zur AHV / unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Verwaltungsverfahren

    Sachverhalt:

    A.

    1. A. wurde von ihrer Schwiegertochter am 10. April 2012 zum Bezug einer Hilflosenentschädigung der AHV angemeldet (act. 65). Diese gab im entsprechenden Formular an, die Versicherte sei in ihrer Mobilität derart eingeschränkt, dass sie bei fast allen alltäglichen Tätigkeiten Hilfe benötige. Sie könne nicht selbst stehen, geschweige denn aufstehen, absitzen, gehen usw., und sie könne sich nicht bücken und kaum ihren Oberkörper drehen. Deshalb sei sie nach der Notdurftverrichtung nicht in der Lage, sich selbst zu säubern. Bei der Fortbewegung müsse sie wegen der Sturzgefahr gestützt und überwacht werden. Für alle alltäglichen Verrichtungen wurde die Frage nach einer Hilflosigkeit bejaht. Der Allgemeinmediziner Dr. med. B. , Flums, gab im Gesuchsformular folgende beiden Diagnosen an: Rheumatische Systemerkrankung und Polyarthrose. Er war der Auffassung, dass sich die Angaben im Gesuchsformular mit seinen Befunden deckten. Die Sozialversicherungsanstalt forderte die Versicherte am 20. April 2012 auf, im Gesuchsformular auch anzugeben, seit wann die Hilflosigkeit bei den einzelnen Verrichtungen bestehe (act. 66). Im entsprechend ergänzten Formular wurde dann angegeben, die Hilflosigkeit habe im September 1990 begonnen und sei über die Jahre grösser geworden. Der aktuelle Zustand bestehe seit 2010 (act. 67). Im Begleitschreiben vom 3. Mai 2012 gab die Schwiegertochter der Versicherten an, diese sei seit Juli August 2010 vollkommen hilflos und könne kaum noch eigenständige Handlungen vornehmen (act. 68). Dr. med. C. , Leitender Arzt Rheumatologie der Klinik Valens, berichtete Dr. B. am 7. Mai 2012 (act. 71), er habe die Versicherte am 26. April 2012 ambulant untersucht und dabei folgende Diagnosen erhoben: Chronisches panvertebrales Syndrom (aktuell im Vordergrund stehend chronisches lumbospondylogenes und zervikospondylogenes Syndrom, Wirbelsäulenfehlhaltung und -fehlform, radiologisch fortgeschrittene degenerative Veränderungen im gesamten LWS-Bereich, muskuläre Dysbalance), Polyarthrose

      (Fingerpolyarthrose mit Einbezug der MCP-Gelenke und STT-Gelenke, ausgeprägte Varusgonarthrose bds.) sowie rezidivierende Diarrhoe und Abdominalschmerzen. Dr. C. führte dazu aus, im Vordergrund stünden Schmerzen im lumbalen und im Nackenbereich. Die von der Versicherten angegebenen Knieschmerzen seien auf eine deutlich ausgeprägte Gonarthrose zurückzuführen. Daneben habe die Versicherte über lumbale Schmerzen geklagt, die zur Folge hätten, dass sie sich kaum bewegen und zuhause nur wenige Schritte gehen könne. Sie habe auch Schmerzen in den Händen und den Füssen mit Schwellungen und morgendlicher Steifigkeit angegeben. Abschliessend hielt Dr. C. fest, er habe der Versicherten geraten, möglichst viel im Haushalt selbständig zu erledigen, sich möglichst viel zu bewegen und auch zu laufen, um einer weiteren Dekonditionierung entgegenzuwirken. Er habe die psychosoziale Problematik, die sicherlich eine Schmerzverstärkung bewirke, andernorts bereits beschrieben.

    2. Am 7. September 2012 erfolgte eine Abklärung an Ort und Stelle. Im entsprechen­ den Bericht vom 27. September 2012 hielt die Abklärungsperson insbesondere fest (act. 75), die Versicherte sei aus dem Schlafzimmer geholt worden. Dabei sei sie beim Aufstehen vom Bett und beim Gehen gestützt worden. Während der Abklärung (Dauer ca. 1 Std.) habe sie auf einem Stuhl ohne Lehne gesessen, ohne über Schmerzen zu klagen. Darauf angesprochen habe sie angegeben, sie habe Schmerzen in den Beinen, klage aber aus Respekt gegenüber der Abklärungsperson nicht darüber. Die Ab­ klärungsperson berichtete weiter, geistig seien keine Einschränkungen zu erkennen gewesen, aber die Versicherte habe völlig antriebslos gewirkt. Der Sohn habe ange­ geben, man müsse die Versicherte zu allem motivieren und bei allen Mobilitäten stützen. Ohne Unterstützung würde sie nicht einmal essen. Man mache mit ihr täglich einen Spaziergang, hin und wieder 300 m hin und zurück, wobei sie den Rollator benötige. Der Spaziergang dauere etwa eine Stunde, da die Versicherte sehr langsam mit kleinen Schritten gehe. Beim An- und Ausziehen müsse ihr geholfen werden, aber das Kopftuch, das sie immer trage, ziehe sie selbst an. Die Abklärungsperson berichtete weiter, die Versicherte habe sich auf den einfachen Stuhl ohne Armlehne setzen können, wobei sie nur unwesentlich gehalten worden sei. Aus dem (normal hohen) Bett könne sie nur mit Hilfe aufstehen. Das Essen nehme sie oft im Bett ein, was nicht einfach sei. Man müsse sie immer zum Essen motivieren, weil sie am liebsten gar nichts essen würde. Wenn es ihr schlecht gehe, helfe man ihr beim Eingeben.

      Ansonsten esse und trinke sie selbst. Feinmotorisch sei sie dazu in der Lage. Bei der Körperpflege müsse bei jeder Handlung geholfen werden. Ursache seien die ungenügende Steh- und Gehfähigkeit und die fehlende Motivation. Man führe die Ver­ sicherte auf die Toilette und helfe beim Abziehen der Kleider und beim Hinsetzen. Bei der Fortbewegung in der Wohnung werde die Versicherte überallhin begleitet und am Arm gehalten. Der Sohn der Versicherten nahm zu diesem Teil des Abklärungsberichts Stellung. Er gab dabei insbesondere an, die Versicherte könne sich nur abgestützt fort­ bewegen. Ohne eine Krücke, eine Wand (zum Abstützen) einen Rollator falle sie um. Der Weg zum Aldi dauere so lang, weil die Versicherte sich bereits nach wenigen Schritten wieder hinsetzen müsse. Beim An- und Ausziehen müsse der Versicherten geholfen werden, da sie selbst es nicht schaffe. Man dürfe sich nur in Hörweite von der Versicherten entfernen, da sie sonst z.B. die Notdurft an ihrem Aufenthaltsort verrichte sich grundlos aufrege und Sachen kaputtmache. Ohne Rollstuhl könne es nicht weitergehen. Die Abklärungsperson hielt in ihrer Stellungnahme insbesondere fest, es scheine vorstellbar, dass ein gewisser Krankheitsgewinn vorliege. Gemäss dem Arztbericht könne die Versicherte ein paar Schritte selbständig gehen, während zuhause diesbezüglich keine Eigenleistungen erwartet würden. Die Vorbringen des Sohns zeigten auf, wie sehr die Versicherte von den Angehörigen umsorgt werde. Die ständige Hilfsbereitschaft, die nicht in allen Belangen nachvollziehbar sei, scheine einen soziokulturellen Hintergrund zu haben, der die Kinder dazu bringe, ständig präsent zu sein. Wenn dies einmal nicht gewährleistet sei, könne sich die Versicherte wehren und z.B. Sachen kaputt machen, obwohl sie angegeben habe, sie könne sich kaum bewegen und sei für alles zu schwach. Die Anmerkung, man könne die Versicherte nie allein lassen, sei nicht nachvollziehbar. Die Abklärungsperson hielt abschliessend fest, aufgrund der Gesamteindrucks würde sie die folgenden Verrichtungen "anrechnen": An- und Auskleiden, Körperpflege, Notdurft und Fortbewegung. Im Wissen um die soziokulturelle Problematik und den sekundären Krankheitsgewinn sollte wegen der Einschränkungen in der Beweglichkeit und des depressiven Verhaltens ein mittlerer Grad der Hilflosigkeit angenommen werden.

    3. Dr. med. D vom RAD hielt dazu am 3. Oktober 2012 fest (act. 77), aufgrund der medizinischen Befunde von Dr. C. lasse sich nicht erklären, warum die Versicherte unter Anwendung von Kompensationsstrategien und unter Verwendung von Hilfsmitteln nicht in der Lage sein sollte, sich mit einer zumutbaren Willensanstrengung

      hinsichtlich der alltäglichen Verrichtungen weitgehend selbständig zu versorgen. Bei einer Unsicherheit im Stand könnte das An- und Auskleiden im Sitzen bzw. im Liegen erfolgen. Aus medizinischer Sicht sei die selbständige Fortbewegung in der Wohnung mit dem Rollator einem Rollstuhl selbständig möglich. Ausserdem könnte sich die Versicherte mit einem Duschhocker am Waschbecken selber waschen. Weitere sinn­ volle Hilfsmittel seien Haltegriffe in Bad und WC, ein höhenverstellbares Bett, ein Roll­ stuhl und ein langer Schuhlöffel und Schlüpfschuhe. Die im Abklärungsbericht be­ schriebenen Hilfeleistungen könnten durchaus durch die soziokulturell bedingten Ge­ wohnheiten und durch die innerfamiliäre Rollenverteilung geprägt sein. Die muskuläre Insuffizienz und die Dekonditionierung würden durch die umfassende Betreuung und durch die Inaktivität verstärkt. Dr. D veranlasste die Einholung des Austrittsberichts der Klinik Valens vom 15. Februar 2011 betreffend den stationären Aufenthalt der Versicherten vom 17. bis 29. Januar 2011 (act. 80). Sie hielt zu diesem Bericht fest (act. 81), die damaligen Untersuchungen hätten keine Lähmungen und keine schwer­ wiegenden Bewegungseinschränkungen gezeigt, die eine selbständige Alltagsbewälti­ gung verunmöglichen würden. In der Physiotherapie seien die Unterarmstöcke durch Walkingstöcke ersetzt worden, das Gangtempo habe erhöht werden können und die Gehstrecke sei auf 150 m ausgedehnt worden. Die Versicherte habe alle Therapiestrecken selbständig bewältigt. Sie sei ohne Hilfe aus der Rückenlage zum Sitzen am Bettrand und vom Sitzen am Bettrand zum Stand gekommen. Sie habe mit Handstöcken Treppenstufen hinauf- und hinabgehen können. Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass die Versicherte in der Lage sei, trotz der geklagten Schmerzen unter erhöhtem Zeitbedarf und unter Verwendung von Kompensationsstrategien und Hilfsmitteln einfache alltagspraktische Verrichtungen ohne regelmässige und erhebliche Hilfestellung durchzuführen. Die umfassende Betreuung durch die Angehörigen sei am ehesten durch soziokulturell geprägte Gewohnheiten und die innerfamiliäre Rollenverteilung und nicht durch gesundheitsbedingte Einschränkungen zu erklären. Mit einer Verfügung vom 2. November 2012 wies die Ausgleichskasse das Gesuch um die Ausrichtung einer Hilflosenentschädigung ab (act. 85).

    4. Die Versicherte liess Einsprache erheben (act. 86). Ihr Rechtsvertreter beantragte die Zusprache einer Hilflosenentschädigung mindestens leichten Grades und die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das Einspracheverfahren,

weil die Versicherte weder aus sprachlichen noch aus sachlichen Gründen in der Lage sei, die Angelegenheit selbst zu führen. Zur vorläufigen Begründung seines Haupt­ antrags führte der Rechtsvertreter der Versicherten insbesondere aus, es bestehe eine Hilflosigkeit mindestens in drei alltäglichen Lebensverrichtungen (Essen, Körperpflege und Fortbewegung). In der nachgereichten Einsprachebegründung machte er geltend (act. 91), die Frage der Zumutbarkeit der Schmerzüberwindung stelle sich gar nicht. Richtig sei der Antrag der Abklärungsperson, eine Hilflosigkeit betreffend An- und Aus­ kleiden, Körperpflege, Notdurftverrichtung und Fortbewegung anzunehmen. Ein Elektrobett würde das Aufstehen etwas entschärfen, aber es bliebe bei der Sturzgefahr und bei den Schwindelanfällen. Der Rollator sei wegen der Schwellen und der Breite der Türen nur im Freien brauchbar. Die Versicherte könne in der Wohnung auch mit den Gehstöcken nur einige Schritte gehen. Haltegriffe in Bad und WC seien keine geeigneten Hilfsmittel, da der erforderliche Kraftaufwand nicht mehr erbracht werden könne. Dasselbe gelte für das Anziehen der Kleider im Liegen. Die Annahme des RAD, die Versicherte sei zuhause bei der Fortbewegung quasi selbständig, treffe nicht zu. Das Einsteigen in den Rollstuhl und das wieder Aufstehen hätten eine unzumutbare An­ strengung zur Folge. Hinzu komme die Sturzgefahr. Die Ausgleichskasse wies die Ein­ sprache am 15. Februar 2013 ab. Sie lehnte auch das Gesuch um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das Einspracheverfahren ab (act. G 1.1). Zur Begründung führte sie aus, eine Abklärung an Ort und Stelle sei nur aussagekräftig, wenn die versicherte Person effektiv an ihr Leistungslimit gehe. Bei einem Grossteil der Fälle würden die Versicherten aber nur ihre subjektive Unfähigkeit, gewisse Dinge zu verrichten, demonstrieren. Im vorliegenden Fall sei deshalb auf die medizinische Ein­ schätzung abzustellen. Im Übrigen sei auch die Frage einer willentlichen Schmerz­ überwindung zu stellen. Diese sei altersunabhängig. Da im Einspracheverfahren keine rechtlich tatsächlich schwierigen Fragen zu beantworten seien, da die Versicherte sich an eine Institution wie beispielsweise die Pro Senectute hätte wenden können, da die Gewinnaussichten erheblich kleiner sei als die Gefahr des Unterliegens und da

die mangelnde Sprachkenntnis nicht relevant sei, bestehe keine Notwendigkeit einer

anwaltlichen Vertretung.

B.

    1. Die Versicherte liess am 19. März 2013 Beschwerde gegen diesen Einspracheentscheid erheben und die Zusprache einer Hilflosigkeit mittleren Grades ab September 2012 sowie die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung für das Einspracheverfahren beantragen. Zudem wurde um die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung für das Beschwerdeverfahren ersucht (act. G 1). Zur Begründung des materiellen Begehrens machte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin insbesondere geltend, die Abklärung an Ort und Stelle sei durch eine qualifizierte Person erfolgt. Deshalb sei der Abklärungsbericht voll beweiskräftig. Die Abklärungsperson habe eine mittelgradige Hilflosigkeit bejaht und dies detailliert und plausibel begründet. Darauf sei abzustellen, denn es gebe keinen Hinweis auf eine klare Fehleinschätzung durch die Abklärungsperson. Die abweichende Meinung des RAD treffe nicht zu, weil es der bald 70-jährigen Beschwerdeführerin nicht zumutbar sei, effektiv an ihr Leistungslimit zu gehen. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin nur aus Respekt vor der Abklärungsperson nicht über Schmerzen geklagt. Dies korrespondiere mit dem Austrittsbericht vom 3. November 2012, laut dem sie ein ausgeprägt schmerzvermeidendes und passives Verhalten gezeigt habe. Im Jahr 2012 sei es zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands gekommen,

      u.a. weil sie die im Austrittsbericht empfohlene Physiotherapie nicht habe durchführen können. Der RAD habe nicht aufgezeigt, wo die klare Fehleinschätzung der Abklärungsperson liege. In Bezug auf die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin Analphabetin sei, dass die Gewinnaussichten angesichts des positiven Abklärungsberichts nicht ungenügend gewesen seien, dass die Beschwerdeführerin sich nicht an die Pro Senectute habe wenden können, weil diese keine Einsprachen verfasse, dass ein Übersetzungsbedarf bestanden habe und dass es um eine wichtige Frage gegangen sei, nämlich um die Vermeidung einer Einweisung in ein Alters- und Pflegeheim.

    2. Die Abklärungsperson hielt dazu am 1. Februar 2013 fest (act. 93), massgebend sei der medizinische Befund. Ihre "Erfahrung" basiere auf dem subjektiven Eindruck und müsse deshalb mit dem Beschwerdebild in Übereinstimmung gebracht werden können. Sie habe im Abklärungsbericht darauf hingewiesen, dass auch nicht inva­ lidisierende Komponenten (sekundärer Krankheitsgewinn, soziokulturelle Einstellungen, ungenügende Integration) eine Rolle spielten. Die Darstellungen in der Beschwerde ver­ möchten nicht zu überzeugen, denn während des Rehabilitationsaufenthalts in der

      Klinik Valens sei die Beschwerdeführerin schon nach zwei Wochen wieder selbständig gegangen. Es gebe auch gar keine erklärbaren Krankheitssymptome, die eine wesentliche Geheinschränkung erklären würden. Es habe sich gezeigt, dass eine objektive Einschätzung nicht wirklich möglich gewesen sei. Der Rollator könnte in der Wohnung durchaus eingesetzt werden, da es keine relevanten Schwellen gebe und da die Türen normal breit seien. Die Beschwerdeführerin habe aus einer Plastiktüte zielgerichtet und nicht verlangsamt ihre Medikamente herausgeholt. Sie habe auch einzelne Medikamentensets herausgegrübelt. Motorisch seien keine Einschränkungen der Hände erkennbar gewesen. In der Wohnung sei kein einziges Hilfsmittel (wie Haltegriffe, Badelift, Einstiegshilfe in die Badewanne, Badebrett, Elektrobett, Toilettenerhöher, Closomat usw.) vorhanden gewesen. Eine Eigenständigkeit werde gar nicht angestrebt bzw. in Betracht gezogen. Eine Vernachlässigung der zumutbaren körperlichen Ertüchtigung sei eine Verletzung der Mitwirkungspflicht. Die Beschwerdegegnerin beantragte am 12. April 2013 gestützt auf diese Stellungnahme die Abweisung der Beschwerde (act. G 4).

    3. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wandte am 28. Mai 2013 sinngemäss ein (act. G 11), die Ausführungen der Abklärungsperson seien nicht relevant, da diese sich ja nicht gegen die Interessen der Beschwerdegegnerin stellen könne, möglichst wenig Hilflosenentschädigungen auszurichten. Die Abklärungsperson habe einen klaren Antrag auf die Zusprache einer Hilflosenentschädigung gestellt. Ohne die Hilfe durch die Familie des Sohnes und ohne die Pflege durch die Schwägerin wäre ein Wechsel in ein Pflegeheim unumgänglich. Die Abklärungsperson habe mehrere Positionen (An- und Auskleiden, Essen, Überwachung) ausdrücklich abgelehnt, d.h. sie habe sehr wohl differenziert. Seit dem Bericht der Klinik Valens habe sich der Gesundheitszustand ver­ schlechtert. Inzwischen sei ein Antrag auf die Abgabe eines Rollstuhls und eines Pflegebetts gestellt worden.

    4. Die verfahrensleitende Abteilungspräsidentin bewilligte am 30. Mai 2013 das

Gesuch um die unentgeltliche Rechtspflege für das Beschwerdeverfahren (act. G 12).

Erwägungen:

  1. Altersrentner haben einen Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung, wenn sie in einem schweren, mittleren leichten Grad hilflos sind (Art. 43 bis Abs. 1 AHVG). Für die Bemessung der Hilflosigkeit sind die Bestimmungen der Invalidenversicherung sinngemäss anwendbar (Art. 43bis Abs. 5 AHVG, Art. 66bis AHVV). Mittelgradig hilflos ist u.a., wer in den meisten (mindestens vier von sechs) alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf Hilfe angewiesen ist (Art. 37 Abs. 2 lit. a IVV). Die Hilflosigkeit gilt u.a. dann als leicht, wenn die versicherte Person in mindestens zwei alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig in erheblicher Weise auf Hilfe ange­ wiesen ist (Art. 37 Abs. 3 lit. a IVV). Die massgebenden alltäglichen Lebensver­ richtungen betreffen sechs Bereiche: An- und Auskleiden, Aufstehen/Absitzen/ Abliegen, Essen, Körperpflege, Verrichten der Notdurft und Fortbewegung (Rz 8010 KSIH).

    1. Gemäss Art. 43 Abs. 1 Satz 1 ATSG prüft der Sozialversicherungsträger die Be­ gehren, nimmt die notwendigen Abklärungen von Amtes wegen vor und holt die er­ forderlichen Auskünfte ein. Demnach gilt das Untersuchungsprinzip, d.h. der Sozialver­ sicherungsträger hat den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen zu erheben (vgl. U. Kieser, ATSG-Kommentar, 2. A., N. 9 f. zu Art. 43). Der Beweisgrad ist derjenige der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. U. Kieser, a.a.O., N. 30 zu Art. 43). Die Erhebung der im Rahmen eines Gesuchs um eine Hilflosenentschädigung (Art.

      43bis Abs. 1 AHVG) geltend gemachten Hilflosigkeit der Beschwerdeführerin hat

      demnach von Amtes wegen zu erfolgen; die für eine allfällige Hilflosigkeit massgebenden Umstände müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein. Die Beschwerdegegnerin hat zu diesem Zweck eine sogenannte Abklärung an Ort und Stelle vorgenommen. Bei dieser "Methode" der Sachverhaltsermittlung handelt es sich typischerweise um eine Kombination der Beweismittel Augenschein, Auskünfte der Parteien und Auskünfte von Drittpersonen (Art. 55 Abs. 1 ATSG i.V.m. Art. 12 VwVG). Zu dieser "Methode" hat das Bundesgericht festgehalten (vgl. etwa BGE 130 V 61 ff.), ein Bericht über eine Abklärung an Ort und Stelle habe vollen Beweiswert, wenn die Abklärungsperson qualifiziert sei und Kenntnis von den örtlichen und räumlichen Verhältnissen sowie von den aus den Diagnosen sich ergebenden Beeinträchtigungen und Hilflosigkeiten habe. Die Abklärungsperson müsse zudem bei Unklarheiten über physische und psychische Störungen und/oder deren Auswirkungen auf die alltäglichen Lebensverrichtungen bei einer medizinischen Fachperson nachfragen. Sie

      habe auch die Angaben der helfenden Personen zu berücksichtigen. Schliesslich müsse der Abklärungsbericht plausibel, begründet und detailliert sein. Bei dieser Auflistung der Anforderungen an einen Bericht über eine Abklärung an Ort und Stelle handelt es sich um eine unsystematische - und deshalb potentiell lückenhafte - Zusammenstellung der notwendigen Beweismittel (wobei der eigentliche Augenschein offenbar auf die örtlichen und räumlichen Verhältnisse beschränkt bleiben kann) und der Anforderungen an den Beweisgrad sowie den Sachverstand der Abklärungsperson (wobei weitgehend offen bleibt, worin die notwendige Qualifikation der Abklärungsperson bestehen soll). Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Abklärungsbericht immer dann einen bestimmten Sachverhalt mit dem erforderlichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit belege, wenn die vom Bundesgericht aufgezählten Anforderungen erfüllt sind.

    2. Grundlage einer Abklärung an Ort und Stelle bildet notwendigerweise das Beweismittel des Augenscheins, denn eine Befragung der versicherten Person und der Hilfe leistenden Personen kann i.d.R. an jedem beliebigen Ort (also beispielsweise auch in den Räumen des Sozialversicherungsträgers) sogar telephonisch erfolgen. Für eine Befragung bedarf es also keiner Abklärung an Ort und Stelle. Das Beweismittel Augenschein umfasst nicht nur die "örtlichen und räumlichen Gegebenheiten", sondern vor allem auch die Beobachtung der versicherten Person bei den alltäglichen Lebens­ verrichtungen (soweit das zumutbar ist) ohne und mit der Hilfeleistung in der gewohnten Umgebung. Nur dieser Augenschein liefert ein direktes Bild des massgebenden Sachverhalts. Auskünfte liefern nur eine "gefilterte" und damit u.U. - bewusst unbewusst - von der Realität abweichende Sachverhaltsdarstellung. Eine Abklärung an Ort und Stelle, bei der die Abklärungsperson nur die örtlichen und räumlichen Gegebenheiten besichtigt und allenfalls noch die versicherte Person bei der Befragung beobachtet, ist deshalb kein eigentlicher Augenschein, sondern nur ein Versuch, die Objektivität der Aussagen der versicherten Person und der Hilfe leistenden Personen einzuschätzen. Selbstverständlich muss die Beobachtung der versicherten Person (und der Hilfe leistenden Personen) auf die Ausführung jener alltäglichen Lebensverrichtungen beschränkt bleiben, bei denen die Anwesenheit der Abklärungsperson zumutbar ist. Umgekehrt darf aber auch nur in jenen Bereichen, in denen eine Beobachtung unzumutbar ist (Notdurftverrichtung, teilw. Körperhygiene und An- und Ausziehen), auf die Anwendung des Beweismittels Augenschein verzichtet

      werden, wenn dem Abklärungsbericht ein ausreichender Beweiswert zukommen soll. Der Beweiswert des Abklärungsberichts vom 27. September 2012 leidet darunter, dass die Abklärungsperson der Beschwerdegegnerin keinen eigentlichen Augenschein vorgenommen hat (auch wenn dieses Vorgehen erfahrungsgemäss der üblichen Praxis der Beschwerdegegnerin entspricht, sich weitgehend auf eine Befragung an Ort und Stelle zu beschränken). Immerhin enthält der Abklärungsbericht vom 27. September 2012 Hinweise darauf, dass die Abklärungsperson gewisse indirekt relevante Gegebenheiten bemerkt hat: Sie hat die Beschwerdeführerin beim Weg vom Schlafzimmer zum Wohnzimmer und während der Befragung beim Sitzen auf einem Stuhl (ohne Seitenlehnen) beobachtet und sie hat festgestellt, dass die Wohnung der Beschwerdeführerin keine Schwellen aufweist, die den Einsatz eines Rollators verunmöglichen auch nur erschweren würden, und dass die Türen die für einen Rollator notwendige Breite aufweisen. Sie hat ausserdem beobachtet, dass keine Hilfsmittel vorhanden gewesen sind, die der Beschwerdeführerin eine - wenigstens teilweise - selbständige Ausübung der alltäglichen Lebensverrichtungen ermöglicht hätten. Da die Abklärungsperson keine weiteren Beobachtungen protokolliert hat, kann dieser Abklärungsbericht als Protokoll eines Augenscheins keinen ausreichenden Beweiswert in Bezug auf die Art und das Ausmass einer allfälligen Hilflosigkeit entfalten.

    3. Zu prüfen bleibt, ob der Abklärungsbericht vom 27. September 2012 als Protokoll der Befragung der Beschwerdeführerin und der Hilfe leistenden Personen geeignet ist, den massgebenden Sachverhalt mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrschein­ lichkeit zu belegen. Die Abklärungsperson hat die Angaben der Beschwerdeführerin selbst als knapp bezeichnet, was darauf schliessen lässt, dass sich die Abklärungs­ person vor allem auf die Angaben der Hilfe leistenden Personen hat abstützen müssen. Diesbezüglich besteht die beweisrechtliche Problematik darin, dass die subjektive Hilf­ losigkeitsüberzeugung der Beschwerdeführerin, aber auch die entsprechende Über­ zeugung der Hilfe leistenden Personen, möglicherweise in einem erheblichen Ausmass von der objektiv bestehenden Hilflosigkeit abweichen und dass die Differenz den be­ fragten Personen gar nicht bewusst gewesen ist. Trifft dieser Verdacht zu, muss davon ausgegangen werden, dass die Aussagen zwar in gutem Glauben gemacht worden sind, dass sie aber eine rein subjektiv "empfundene" Hilflosigkeit der Beschwerde­ führerin "dargestellt" haben, die sehr viel ausgeprägter gewesen wäre als die objektiv

      bestehende Einschränkung der Beschwerdeführerin bei der Ausführung der alltäglichen Lebensverrichtungen. Bei einem regelrechten, detaillierten Augenschein hätte eine Chance bestanden, die befragten Personen mit allfälligen Abweichungen zwischen der subjektiven Hilflosigkeitsüberzeugung und der objektiv bestehenden Hilflosigkeit zu konfrontieren und damit auch zu jenen alltäglichen Lebensverrichtungen Angaben zu erhalten, bei denen eine Beobachtung nicht zumutbar gewesen wäre. Erfahrungs­ gemäss besteht in Familien, die aus dem gleichen Land wie die Beschwerdeführerin stammen, eine kulturell bedingte Tendenz zu einer erheblichen Überbehütung der kranken Eltern. In einer Situation, in der kein eigentlicher Augenschein, sondern nur eine Befragung an Ort und Stelle stattfindet, aber Indizien für eine solche Überbehütung bestehen (z.B. weil das bei der Befragung beobachtete Verhalten der angeblich hilflosen Person nicht konsistent ist weil einzelne Angaben - wie vorliegend der Hinweis auf eine Beschädigung von Gegenständen im Zorn - nicht mit der angegebenen Hilflosigkeit in Übereinstimmung zu bringen sind), hilft der Abklärungsperson die (von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vorausgesetzte, aber nicht definierte) Qualifikation nicht weiter. Im vorliegenden Fall hat die Abklärungsperson erst durch die Angaben von Dr. D vom 17. Oktober 2012 realisiert, dass die effektive Hilflosigkeit nicht mit den Aussagen anlässlich der Abklärung an Ort und Stelle übereinstimmen dürfte. Sie hat deshalb den im Abklärungsbericht abgegebenen Vorschlag, für die alltäglichen Lebensverrichtungen An- und Auskleiden, Körperpflege, Notdurftverrichtung und Fortbewegung von einem regelmässigen und erheblichen Bedarf nach Hilfe auszugehen, zurückgezogen. Tatsächlich lässt die Beurteilung durch Dr. D nicht mehr zu anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin und die Hilfe leistenden Personen mit den im Abklärungsbericht protokollierten Aussagen die Hilflosigkeit objektiv dargestellt hätten. Dr. D hat nämlich überzeugend dargelegt, dass die von den Behandlern gestellten Diagnosen bzw. die entsprechenden Symptome nicht geeignet seien, eine relevante Hilflosigkeit zu bewirken. Die Beschwerdeführerin hat zwar nachträglich eine nach dem letzten Bericht eines behandelnden Arztes eingetretene Verschlimmerung ihres Gesundheitszustands behauptet, aber sie hat dies nicht belegen können, da sie sich seither anscheinend nicht mehr in ärztlicher Behandlung befunden hat. Wäre die behauptete Verschlechterung des Gesundheitszustands aus medizinischer Sicht zu erwarten gewesen, hätte sich Dr. D wohl kaum darauf beschränkt, die vorliegenden

      Berichte zu Rate zu ziehen. Sie hätte vielmehr selbst eine Untersuchung vorgenommen eine medizinische Abklärung in die Wege geleitet. Deshalb ist mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin seit dem Abklärung an Ort und Stelle objektiv nicht verändert hat.

    4. Da der Abklärungsbericht vom 27. September 2012 weder als Protokoll eines Augenscheins noch als Protokoll einer Befragung der Beschwerdeführerin und der Hilfe leistenden Familienangehörigen einen ausreichenden Beweiswert entfaltet, verbleiben zur Beurteilung der Art und des Ausmasses einer allfälligen Hilflosigkeit nur die An­ gaben von Dr. D . Zu prüfen ist deshalb, ob deren Einschätzung die Hilflosigkeit der Beschwerdeführerin mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu belegen vermag. Dr. D hat am 17. Oktober 2012 gestützt auf Berichte behandelnder Ärzte vom 29. Januar 2011 (Rehaklinik Valens) und vom 7. Mai 2012 (Dr. C. ) festge­ halten, es lägen keine Lähmungen, keine wesentliche Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule und der peripheren Gelenke und auch keine psychischen und kognitiven Beeinträchtigungen vor, welche die Beschwerdeführerin bei den alltäglichen Lebensverrichtungen so behindern würden, dass eine regelmässige und erhebliche Hilfestellung nötig wäre. Die Berichte, auf die sich Dr. D gestützt hat, haben auf einlässlichen Untersuchungen und Beobachtungen beruht. Sie haben den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin so detailliert dargestellt, dass sie es zugelassen haben, die Auswirkungen der Krankheitssymptome auf die Fähigkeit der Beschwerdeführerin, die alltäglichen Lebensverrichtungen noch ohne regelmässige und erhebliche Hilfe auszuführen, objektiv zu beurteilen. Die von der Beschwerdeführerin bzw. den Hilfe leistenden Familienangehörigen behauptete extreme Muskelschwäche ist, zumindest im geltend gemachten Ausmass, medizinisch nicht dokumentiert. Die Beschwerdegegnerin hat im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass die sozialversicherungsspezifische "Schadenminderungspflicht" auch im Zusammenhang mit den Leistungen bei Hilflosigkeit zur Anwendung gelangen müsse. Eine Hilflosigkeit, die nur darauf zurückzuführen ist, dass eine Kombination aus einem sekundären Krankheitsgewinn und aus einer massiven Überbehütung zu einer körperlichen Passivität und damit zu einer massiven Dekonditionierung geführt hat, kann nicht leistungsbegründend sein. Ein solcher Zustand wäre nämlich, wie die erste stationäre Rehabilitation der Beschwerdeführerin gezeigt hat, ohne weiteres und in kurzer Zeit

      wenigstens so weit überwindbar, dass kein Bedarf nach einer regelmässigen und erheblichen Hilfe bei den alltäglichen Lebensverrichtungen mehr bestünde. Das ist auch im Austrittsbericht der Klinik Valens vom 3. November 2012 wieder bestätigt worden. Der Grundsatz der sozialversicherungsspezifischen Schadenminderungspflicht hätte also für den Fall, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich aufgrund ihrer Kraftlosigkeit in mehreren alltäglichen Lebensverrichtungen regelmässig auf erhebliche Hilfe angewiesen wäre, zur Folge, dass kein Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung entstehen könnte, weil die Hilflosigkeit zumutbarerweise in kurzer Zeit überwunden werden könnte. Demnach steht auch bei der weitgehend auf die medizinische Beurteilung durch Dr. D reduzierten Abklärung des leistungserheblichen Sachverhalts mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass die Beschwerdeführerin nicht in einem anspruchsbegründenden Ausmass hilflos ist. Damit kann die Frage offen bleiben, wie weit Hilfsmittel geeignet wären, eine (objektiv bestehende) Hilflosigkeit zu überwinden wenigstens so weit zu reduzieren, dass keine erhebliche und/oder keine regelmässige Hilfeleistung mehr nötig wäre.

    5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin zu Recht einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Hilflosenentschädigung verneint hat. Dies­ bezüglich ist die Beschwerde also abzuweisen.

  2. Im angefochtenen Einspracheentscheid hat die Beschwerdegegnerin einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren verneint. Sie hat dies damit begründet, dass sich keine schwierigen Fragen rechtlicher tatsächlicher Natur gestellt hätten, dass sich die Beschwerdeführerin an eine gemeinnützige Organisation (z.B. die Pro Senectute) hätte wenden können, dass die Gewinnaussichten erheblich kleiner gewesen seien als die Gefahr des Unterliegens und dass fehlende Deutschkenntnisse kein Grund für eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren seien. Die positivrechtliche Grundlage eines allfälligen Anspruchs auf eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren findet sich entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht in Art. 29 Abs. 3 BV, sondern in dem in Ausführung dieser Verfassungsbestimmung erlassenen Art. 37 Abs. 4 ATSG. Laut dieser Gesetzesbestimmung ist der gesuchstellenden Person für das Verwaltungsverfahren (und damit auch für das Einspracheverfahren) ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu

    bewilligen, wenn die Verhältnisse dies erfordern. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BGE 132 V 200 ff. Erw. 4.1 m.H.) ist nur in Ausnahmefällen davon auszugehen, dass die Verhältnisse eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren erfordern. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Einsprache aussichtslos ist. Ist das der Fall, besteht zum Vornherein kein Anspruch auf eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Im vorliegenden Fall war die Einsprache nicht aussichtslos, denn entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kann es nicht genügen, dass eher mit einem Unterliegen als mit einem Obsiegen zu rechnen ist. Aussichtslos ist eine Einsprache erst, wenn sie bei einer objektiven Beurteilung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht durchdringen wird. Das ist hier offensichtlich nicht der Fall gewesen, denn für die Beschwerdeführerin bestanden gewisse Aussichten, dass die Beschwerdegegnerin im Rahmen des Einspracheverfahrens weitere Sachverhaltsabklärungen vornehmen und dann neu in der Sache entscheiden würde. Mangelnde Deutschkenntnisse können kein Grund für eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung gewesen sein, denn die Beschwerdeführerin hätte ihre Einsprache in ihrer Muttersprache abfassen und dann ins Deutsche übersetzen lassen können, wenn es nicht allenfalls aufgrund eines Sozialver­ sicherungsabkommens sogar zulässig gewesen wäre, die Einsprache in der Mutter­ sprache einzureichen. Die Beschwerdeführerin hätte sich im Übrigen auch an eine ge­ meinnützige Organisation wenden können, um sich bei der Ausarbeitung der Ein­ sprache - sprachlich wie inhaltlich - helfen zu lassen. Ausschlaggebend ist letztlich der Umstand, dass die Einsprache keine tatsächlichen rechtlichen Fragen aufgeworfen hat, die als schwierig im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu qualifizieren gewesen wären. Das Verwaltungsverfahren ist durch die Zustellung und das Ausfüllen eines selbsterklärenden Gesuchsformulars eröffnet worden. Diesem Formular hat die - von ihren Familienangehörigen unterstützte - Beschwerdeführerin ohne weiteres entnehmen können, worin die massgebenden alltäglichen Lebensverrichtungen bestanden haben und welche Einschränkungen nötig gewesen wären, damit von einer anspruchsbegründenden Hilflosigkeit hätte ausgegangen werden können. Anlässlich der Abklärung an Ort und Stelle hat sich dieses Prozedere wiederholt, wobei die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen durch die Abklärungsperson begleitet und unterstützt worden sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf den massgebenden Sachverhalt keine Fragen offen

    geblieben sind, die schwierig zu beantworten gewesen wären. Da die Regelung des Anspruchs auf eine Hilflosenentschädigung direkt auf den bereits aus der Sachverhaltsabklärung bekannten sechs alltäglichen Lebensverrichtungen aufbaut, die entweder noch (weitgehend) selbständig ausgeführt werden können nur noch mit regelmässiger und erheblicher Hilfe zu bewältigen sind, kann auch keine schwierige Rechtsfrage zu beantworten gewesen sein. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Verhältnisse keine anwaltliche Vertretung erfordert haben. Mit der Beschwerdeerhebung hat sich das grundsätzlich verändert, denn nun ist die Be­ schwerdeführerin in ein stark formalisiertes gerichtliches Streitverfahren involviert ge­ wesen, in dem eine anwaltliche Vertretung ohne weiteres als notwendig zu qualifizieren ist. Aus dem Umstand, dass ihr für das Beschwerdeverfahren die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist, kann die Beschwerdeführerin also für das Einspracheverfahren nichts zu ihren Gunsten ableiten. Die Beschwerdegegnerin hat also zu Recht einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Einspracheverfahren verneint. Auch in dieser Hinsicht ist die Beschwerde somit abzuweisen.

  3. Die unterliegende Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf eine Parteient­ schädigung, weshalb das entsprechende Begehren abzuweisen ist. Da ihr am 30. Mai 2013 die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden ist, hat ihr Rechtsbeistand einen Anspruch auf eine Entschädigung durch den Staat. Diese Entschädigung beträgt gemäss Art. 31 Abs. 3 des st. gallischen Anwaltsgesetzes 80% der Entschädigung, die bei einem Obsiegen von der Beschwerdegegnerin geschuldet wäre. Da von einem unterdurchschnittlichen Vertretungsaufwand auszugehen ist, erschiene eine Partei­ entschädigung von Fr. 3'000.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als ange­ messen. Der Staat hat den Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin also mit Fr.

2'400.-- zu entschädigen. Die unterliegende Beschwerdeführerin hätte an sich für die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzukommen. Diese Kosten belaufen sich auf Fr. 600.--. Zufolge der Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege wird die Beschwerdeführerin aber von der Bezahlung dieser Kosten befreit. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass sie nachträglich zur Bezahlung dieser Kosten sowie zur Rückzahlung der ihrem Rechtsbeistand ausgerichteten Entschädigung verpflichtet werden kann, wenn ihre wirtschaftlichen Verhältnisse dies in Zukunft einmal erlauben sollten (Art. 99 Abs. 2 VRP/SG i.V.m. Art. 123 Abs. 1 ZPO).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

  1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

  2. Der Staat hat den Rechtsbeistand der Beschwerdeführerin mit Fr. 2'400.--

    (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu entschädigen.

  3. Die Beschwerdeführerin wird im Sinne der Erwägungen von der Bezahlung der

Gerichtsgebühr von Fr. 600.-- befreit.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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